Entwicklung der Einzelhandelsgeschäfte in der Erotikbranche heute und in den nächsten 10 Jahren

EROFAME 2024 HANNOVER

Hans-Peter Beckmann
geschäftsführender Vorstand
Bundesverband Erotikhandel e.V. ( BEH )
Vortrag vom 25. September 2024

Begrüßung

Sehr geehrte Damen und Herren, auch an dieser Stelle nochmals meinen herzlichen Dank an alle
die hier heute beim Bundesverband Erotikhandel anwesend sind.

Bestandsanalyse

Die geburtenstarken Jahrgänge 1954 bis 1969 ( Babyboomer ) ich nenne diesen Zeitraum die
Rentner-Tsunami-Generation schob sich durch die gesamte Entwicklung der Bevölkerung.

Kindergarten, Schule, Berufsausbildung, Berufstätigkeit und nunmehr der Einstieg in das Rentenalter. Dieser Personenkreis ist heute 55 bis Ende 70 Jahre alt. Eben diese Menschen sind momentan die potentiellen Kunden im stationären EROTIK-EINZELHANDEL.

Diese zu bedienen, zu binden an die Ladengeschäfte, ist unsere Hauptaufgabe.

Eine Generation später ( Pillenknick-Generation ) wurden weit weniger Menschen geboren.

Diese fallen also zum Teil als potentielle Nachfolge-Käufer-Generation aus.Wieder eine Generation später, die bis Mitte 30- jährigen und ebenso die unter 30-jährigen kaufen vermehrt im Onlinehandel.

Die Babyboomer gehen jetzt nach und nach in dieRente und werden in den nächsten 10 bis 20 Jahren sterben. Das ist nun einmal eine biologische Tatsache.

Wie bekommen wir also die Pillenknick- und Folgegenerationen in unsere stationären Geschäfte?


Betrachten wir kurz die Bedürfnispyramide nach MASLOW ( aus den 1940-er Jahren )Psychologische Bedürfnisse

Psychologische Bedürfnisse

  • Essen, Trinken, Schlafen

Sicherheitsbedürfnisse

  • Wohnung, materielle Absicherung, Arbeitsplatz

Soziale Bedürfnisse

  • kommunikativer Austausch, Gruppenzugehörigkeit, gesellschaftliche Anerkennungund Funktion

Individualbedürfnisse

  • Erfolg, individuelle Interessen, Unabhängigkeit Wertschätzung, Status, Einfluß
    ( Statussymbole: Uhren, Autos, Motorrad, Boot, eigenes Haus etc. )

Selbstverwirklichung

die eigenen anlagebedingten Potenziale zu erkennen und voll auszuschöpfen kaum jemand erreicht diese Stufe

Potentielle Käufer im Erotikhandel sind die Menschen, bei deren mindestens die
Sicherheitsbedürfnisse erfüllt sind.

Wer sich Sorgen um sein Essen von morgen und das Leben in der kommenden Woche macht, wird kaum ein Kunde bei uns sein.

Der stationäre Einzelhandel unterzieht sich einem ständigen Wandel.

Stationärer Einzelhandel

Vom Tante-Emma-Laden, dem Bäcker um die Ecke mit der Backstube im hinteren Gebäudeteil, der inhabergeführten Drogerie, die heute kaum noch jemand kennt, zu den heutigen Einkaufsstätten:

  • Lebensmittel-Vollsortimenter ( Kaufland, Rewe, Edeka )
  • Lebensmittel-Discounter ( Aldi, Lidl, Norma, Netto )
  • Drogeriemärkte ( Müller, DM, Rossmann )
  • Bäckereiverkaufsstellen in Vorkassenzonen
  • Bäckerei-Cafe-Ketten in Einkaufsstraßen( Backwarenprokuktion findet im Gewerbegebiet statt )
  • Bekleidunghandelsketten( H & M, C & A, Takko, Mister & Lady-Jeans, Primark )( auch im Online-Geschäft )
  • 1-Euro-Läden, TEDI( bekanntlich: Tengelmann-Discount )
  • Warenhäuser ( Galeria-Kaufhof-Karstadt)

Betrachten wir kurz die Entwicklung der

Artikelpräsentation im Supermarkt und Discounter

Beispiel EDEKA:

Die Märkte der EDEKA-Gruppe wurden in den letzten Jahren im Verkaufsbereich flächendeckend erneuert und modernisiert. Heute wird man direkt vom Eingang durch die Obstabteilung geführt. Erst dann kommt man in den weiteren Verkaufsbereich.


Beispiel ALDI:

Als ALDI in Deutschland mit den ersten Verkaufsmärkten begann, gab es landauf landab eine
große Verstörung und einen Aufschrei. Die Waren stehen auf Paletten. Haben die kein Geld für Regale? Mit den damaligen ALDI-Märkten haben die heutigen nicht mehr viel gemeinsam. Moderne Regalierung, in der Mitte der Verkaufsflächen sind die Regale niedriger
geworden. Backshops, Kühl- und TK-Schränke, eine Weinabteilung die sich optisch hochwertig darstellt.Die Produktvielfalt umfaßt Markenhersteller und Eigenmarkten. Im Non-Food-Bereich werden Textilien bis Gartenartikel usw. angeboten.

Exkurs : rechts- und linksgedrehte Verkaufsflächen

Öffnet sich die Tür eines Verkaufsgeschäftes und an der linken Seite ist ein Verkaufsregal an der Wand plaziert, so erstreckt sich die Verkaufsfläche rechts vom Kunden.

Das erklärt sich so:
Die Projektentwickler und Architekten optimieren die Gesamtaufteilung der zur Verfügung stehenden Quadratmeter im Innenraum der Immobilien. Das reflektiert den Grundstückzuschnitt. Die Investoren drängen auf eine möglichst große Verkaufsfläche um die benötigten Gesamtmieteinnahme zu generieren

Diesen Spagat müssen jetzt die Ladenbauer für beide Seiten umsetzen. Da die meisten Menschen
RECHTSHÄNDER sind, werden somit die Regalanordnungen und Warenplazierungen hiernach
ausgerichtet.

Insbesondere hochwertige und hochpreisige Waren werden somit im Blickwinkel rechts vom Kunden präsentiert. Rechtshänder nehmen die Ware mit der rechten Hand und legen diese in den Einkaufswagen. Wer mit der linken Hand zugreift, nimmt oftmals die rechte Hand zur Hilfe, um Artikel anzusehen und dann in den Einkaufskorb zu legen.

Heute gibt es speziell ausgebildete Marketingleute, die sich mit der Artikelplazierung intensiv
auseinandersetzen. Dabei geht es also um mehr als “ Bückware “ – die günstigen Eigenmarken, die immer am Boden des Regals plaziert sind. Markenartikel sind “ in Augenhöhe “ im Regal angeordnet.

Der Schritt von der Warenverteilung zum Erlebniseinkauf

Der stationäre Erotikmarkt folgt in gewisser Weise den Lebensmitteldiscountern.

Die Regalierung

An den Rändern werden hohe Regale oder Ständersysteme für Hängeware plaziert

in der Geschäftsmitte werden niedrige Regale eingesetzt der Kunde hat das gesamte Warensortiment im Blick zudem verstellt man nicht die Blickwinkel der Kameraüberwachung

Die Preisauszeichnung

Die Preise auf den Etiketten werden größer und kräftiger dargestellt die potentiellen Kunden sind oftmals über 50 Jahre alt ( Sehschwächen )

Beleuchtungskonzept
Insgesamt bieten die neuen energiesparenden LED-Beleuchtungstechniken eine Vielzahl von
Möglichkeiten, die es früher gar nicht gab:

  • helle Beleuchtung ohne Schattenbildung präsentieren die Ware
  • besondere Strahler weisen auf Aktionsware hin
  • bewegte Beleuchtung wird von den Mitarbeitern eher störend empfunden
  • rote Beleuchtung empfinden die Kunden oftmals eher negativ
  • Monitore mit Produktbildern können als Informationsmedium und zur Regalauflockerung dienen

Aufsteller, Bilder, Plakate, Verkaufshilfen

hier sind die Produzenten und Großhändler gefragt

Die Kommunikation und der Gedankenaustausch zwischen den Produzenten / Großhändlern und dem Einzelhandel muß künftig viel besser werden.

Je zielgerichteter die Ware – begleitet von Werbematerial – zur Verfügung gestellt wird, umso besser zeigt es sich im Umsatz und Folgebestellungen.

Auch ein Auftritt in den Sozialen Medien unter Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben sollte kein Tabu mehr sein.

Hier muß sich der BEH in Zukunft mehr engagieren, ist aber auch auf die Zuarbeit der Mitglieder angewiesen.

Ruhezonen

Eine Sitzgruppe lädt zum verweilen ein.

Diese wird praktischerweise unmittelbar an der Umkleidekabine plaziert.
Zur Gesamtgestaltung können grüne Bereiche / Inseln / Wanddekoration als optische Auflockerung hilfreich und angemessen sein.

Der Umfang ergibt sich aus den örtlichen Gegebenheiten des Shops.

An dieser Stelle ergibt sich ein Konflikt bei dem ich bis jetzt keine Lösung gefunden habe:

Warme und kalte Getränke stehen im Kino gegen Entgelt zum Verkauf. Werden Getränke in der Ruhezone kostenfrei bereitgestellt, fühlen sich die Kinogäste benachteiligt.

Dekoration mit Erinnerungswert
Besondere Dekorationen sorgen für einen bleibendenn Erinnerungswert.
Das können

  • besonders dekorative Schaufensterpuppen ( z.B. mit SM-Artikel bestückt )
  • Figuren am Eingang ( wir haben einen Buddha )
  • Springbrunnen oder ähnliches sein

Das PERSONAL im Erotikeinzelhandelsgeschäft

Aufgrund des demografischen Wandels ist das Personal in den Erotikmärkten / Kinos oftmals über 50 Jahre alt. Noch immer gibt es vielerorts Bedenken, in unserer Branche zu arbeiten.

Zudem halten sich Vorbehalte wie:

  • wollen die dich im Baumarkt nicht mehr
  • dann gehe in den Erotikladen, in die Spielothek
  • oder in ein Wettbüro

bevor du gar keine Arbeit bekommst.

Kaum jemand will glauben, das Fachpersonal mit Beratungspotential in den Shops der Erotikbranche benötigt wird. Das Thema “ Weiterbildung und Produktschulung “ muß in den Fokus der Personalplanung rücken.

Derzeit haben viele Möbelhäuser und Textileinzelhändler große Schwierigkeiten.

Bewerbungen aus diesen Branchen werden künftig vermehrt auf unsere Branche zukommen.

Wichtig ist, das wir das „SCHMUDDEL-IMAGE“ ablegen und uns als moderne, aufgeschlossene Branche präsentieren.

Auch hier obliegt BEH künftig ein nicht zu unterschätzendes Betätigungsfeld .

In den Erotikmarkt kommen auch Menschen denen es peinlich ist über ihre Problemen zu sprechen.
Potenzstörungen nach Erkrankungen, Allergien um nur zwei zu nennen.

Ferner wenden sich Kunden an uns wenn es um DWT, Trans, gleichgeschlechtliche Sexualität usw. geht. Man erwartet nicht ausgelacht zu werden, sondern eine ernsthafte und fachkundig Beratung.

Im Tagesgeschäft ergibt es sich aber auch immer wieder, das der Facheinzelhandel als Berater mißbraucht wird. Kunden lassen sich umfänglich beraten, gehen auf den Parkplatz und kaufen dann die Ware im Internet.

Im Ladengeschäft und im Beratungsgespräch sind Hinweise wie,

  • “ Wir verkaufen geprüfte und EU-zugelassene Ware „
  • “ Wir verkaufen keine Versandrückläufer „

ein zusätzliches Argument für die notwendigen höheren Preise.

Diskretion ist oberstes Gebot. Wir sprechen niemals Kunden aus dem Geschäft oder Gäste aus dem Kino außerhalb unseres Gebäudes an.

Über die Auswirkungen des demografischen Wandels

  • Altersarmut
  • Alterseinsamkeit
  • Alkohol- und Medikamentenmißbrauch
  • Gereatrie ( altersbedingte Erkrankungen )
  • Bandscheibenprobleme
  • Herzinfarkte
  • Schlaganfälle

möchte ich an dieser Stelle nicht weiter ausführen.

Fest steht jedoch das der Personalführung künftig eine immer größere Bedeutung zukommt.
Es gilt insbesondere lange Krankenstände zu vermeiden. Dabei kommt dem Thema

BETRIEBS-KLIMA

eine herausragende Bedeutung zu. Unzufriedene Mitarbeiter – oder gar Mobbing-Strukturen sorgen für kostenintensive Fehlzeiten.

Innere Kündigung:
Mit dem Begriff der “ inneren Kündigung “ wird bezeichnet, wenn Mitarbeiter nur noch Arbeit nach Vorschrift machen und genausoviel damit es nicht auffällt.

Engagement, Arbeitsfreude, Zufriedenheit sind bereits verloren gegangen.
Einher geht es mit Gefühlen wie

  • fehlender Anerkennung
  • unangemessene Kontrollen
  • schlechte Bezahlung

Wikipedia beschreibt die innere Kündigung wie folgt:

„Innere Kündigung ist im Personalwesen die Arbeitseinstellung einer Arbeitskraft, zwar das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung aufzugeben, aber die Arbeitsleistung durch Verweigerung von Eigeninitiative und Arbeitseinsatz in einem Ausmaß zu senken, als ob die Arbeitskraft bei ihrem Arbeitgeber nicht mehr beschäftigt wäre. „

Hier sind vertrauensvolle Personalgespräche angezeigt und keine herabwürdigen Vorwürfe um den
Mitarbeiter wieder zurückzuholen. Möglicherweise liegen auch Gründe nicht nur im Arbeitsumfeld sondern auch in der privaten Situation des Mitarbeiters.

Innere Kündigungen von Mitarbeitern – oftmals begleitet von vermehrten Krankmeldungen – gilt es zu vermeiden

Burnout

Wikipedia beschreibt das Burnout-Syndrom wie folgt:

Burnout ( ausbrennen ) ist ein Oberbegriff für bestimmte Arten von persönlichen Krisen, die als Reaktion auf andauernden Stress und Überlastung am Arbeitsplatz auftreten.

Das kann bis zur völliger Arbeitsunfähigkeit oder gar Suizid führen. Monatelange fachkundige Betreuung
und Therapie in spezialisierten Einrichtungen sind oftmals notwendig. Das frühzeitige Erkennen von Symthomen bei Mitarbeitern erfordert konsequentes Einschreiten. Gemeinsam mit Fachleuten ( Ärzten, Krankenkassen, IHK, Berufsgenossenschaft und weitere Anlaufstellen ) ist die Betreuung unumgänglich.

Zufriedenes Personal

Das Personal ist gemäß Arbeitsvertrag zur 100-prozentigen Mitarbeit im Unternehmen verpflichtet.
Der Arbeitgeber ist zur 100-prozentigen Zahlung der Vergütung verpflichtet.

Neben der Lohnzahlung ist die WERTSCHÄTZUNG für den Menschen im Unternehmen keinesfalls zu vernachlässigen.

Ein gewisses Maß an LOB sorgen für gegenseitigen Respekt und Anerkennung der verschiedenen
Tätigkeiten. Nur tadeln und nörgeln sind auf die Dauer keine gute Idee.

Da ist Selbstreflektion und Selbstkritik der Geschäftsführung und der Führungskräfte gefordert.
Manche müssen auch mal über ihren eigenen Schatten springen.

Förderlich ist es, die Mitarbeiter zu Verbesserungsvorschlägen zu animieren und diese ernsthaft zu diskutieren.

Fehlerkultur

Eine Fehlerkultur hat sich als zweckdienlich erwiesen. Menschen sind keine Maschinen und machen somit auch Fehler. Es gibt nichts schlimmeres als Fehler zu vertuschen oder verstecken zu müssen aus Angst vor Repressalien.

Besser ist der offene Umgang mit Fehlern. Fehler können als Hinweis für alle Mitarbeiter genutzt werden, damit gleiches nicht immer wieder passiert.

Beispiel: DIESE TASTE IM KASSENSYSTEM AN EINER BESTIMMTEN STELLE NICHT DRÜCKEN !!!

Wir loben Mitarbeiter, die Fehler gemacht haben, und dies gleich sagen. Niemand muß Angst vor Nachteilen haben. Fehler werden gemeinsam besprochen. Je kürzer zwischen der Zeitraum das ein Fehler erkannt und behoben wird, umso geringer sind die Kosten der Beseitigung.

Kunden, die unsere Ladengeschäfte und Kinos nutzen merken sehr schnell, ob alle die im Unternehmen beschäftigt sind, ihre Tätigkeit gern tun und ein gutes Betriebsklima herrscht.

Auch das sind neben der qualitativen Produktauswahl, der fachkundigen Beratung, weitere Kriterien das die Kunden sagen: „Da gehe ich gern hin, da fühle ich mich wohl und werde als Mensch so wie ich bin akzeptiert !“

Wenn wir das schaffen, dann wird der stationäre Einzelhandel in der Erotik-Branche eine Zukunft haben !

Und zum Schluß noch eine Bitte an alle Mitglieder des BEH. Die Kommunikation mit der Geschäftstelle und dem Vorstand muß dringend verbessert werden.

Telefonieren, E-Mail schreiben ist in der heutigen Zeit doch wirklich kein Problem mehr. Vielen Dank für das Zuhören und die Aufmerksamkeit.

Bildnachweis

Bedürfnispyramide nach Maslow
https://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bed%C3%BCrfnishierarchie

Altersaufbau der Bevölkerung nach demografischen
Ereignissen ( 2022 ) – Statistisches Bundesamt

Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland 2022
Stichtag 31.12.2022 Ergebnisse auf Basis Zensus 2022

Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung ( BIB )
Statistisches Bundesamt
https://www.destatis.de/DE/Service/Kontakt/Kontakt.html

Copyright : September 2024
Hans-Peter Beckmann
geschäftsführender Vorstand
Bundesverband Erotikhandel e.V.

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